Klostergärten – Nahrung für Leib und Seele

 

Tagungsbericht der Fachtage Klosterkultur 2023

13.–16. September 2023, Benediktinerstift Melk (A)

Bericht von: Dr. Helga Fabritius (Stiftung Kloster Dalheim. LWL-Landesmuseum für Klosterkultur), Albert Holenstein (Stiftsbibliothek St. Gallen), Dominika Kalteis und P. Ludwig Wenzl OSB (Stift Melk)

 

Für die dritte Veranstaltung der Reihe Fachtage Klosterkultur wurde das Stift Melk als neuer Kooperationspartner gewonnen. Daher konnte die Tagung zum Thema «Klostergärten – Nahrung für Leib und Seele» an diesem thematisch sehr passenden Klosterort ausgerichtet werden. Die 17 Vorträge der Tagung verteilten sich auf vier Sektionen und einen Abendvortrag. Das Tagungsthema prägte bereits beim Empfang durch Hausherr Abt GEORG WILFINGER OSB im Gartenpavillon des Stifts Melk deutlich die Veranstaltung visuell wie geschmacklich: Der Gaumen aller Anwesenden konnte sich an den phantasievoll angerichteten, kulinarischen Kreationen aus dem hauseigenen Kräutergarten erfreuen.

Foto: Stift Melk/B. Kobler

Eröffnet wurde die Tagung mit der ersten Sektion zur Entstehung und historische Entwicklung von Klostergärten. Die Sektion spürte anhand dreier ausgewählter Klosterorte und eines Überblickvortrags der Funktion und Bedeutung von Klostergärten im Laufe der Geschichte nach. Anhand der Fürstabtei St. Gallen zeigte Dr. KARL SCHMUKI die weitgehend unbekannte mittelalterliche und die besser bekannte frühneuzeitliche Gartenentwicklung auf. Auch wenn sich die mittelalterlichen Klostergärten St. Gallens dem heutigen Betrachter entziehen, so hat St. Gallen in der Gartenforschung doch eine bedeutsame Stellung, einerseits durch den berühmten St. Galler Klosterplan, andererseits durch das botanische Lehrgedicht «Hortulus» von Walahfrid Strabo, das dessen St. Galler Lehrer gewidmet war. Nach diesem benediktinischen Beispiel wendete sich Abt Dr. REINHOLD DESSL OCist den Wilheringer Klostergärten zu, deren Entwicklung er vom 17. Jahrhundert bis heute nachzeichnete. Der Referent beschrieb die wichtigsten Entwicklungslinien im Zisterzienserstift: vom Paradiesgarten zum Konventfriedhof, vom Selbstversorgergarten zu Nutzgärten und vom privaten Abtgarten zur öffentlichen Ruheoasen. Ein weiteres zisterziensisches Beispiel stellte Dipl.-Ing. ALEXANDER NIEMANN mit den Gärten und Freiflächen des Zisterzienserklosters Neuzelle in Brandenburg vor. Während rund 23 Jahren arbeitete der Referent an der erfolgreichen Wiederherstellung der barocken Gartenanlagen mit, die im 19. und 20. Jahrhundert vernachlässigt und für andere Zwecke genutzt worden waren. Abgeschlossen wurde die Sektion mit einem Vortrag von PD Dr. KARL-HEINZ STEINMETZ über Klostergärten als multifunktionale Wissensorte. Sieben Wissensorte machte der Referent aus: in der Medizin, dem Non-Utilitarismus, der Astrologie, dem Garten- und Weinbau, dem Kunsthandwerk, in der Experimental-Tierzucht und in der Genetik. Jeder Wissensort wurde stellvertretend mit einem passenden Klosterort in Verbindung gebracht.

Foto: Stift Melk/B. Kobler

Die zweite Sektion thematisierte Klostergärten als Ressource für Mensch und Natur. Der erste Beitrag von Fr. ANDREAS SCHMIDT OSB befasste sich mit dem ökologischen Wirtschaftsbetrieb in der Benediktinerabtei Plankstetten. Mitte der 1990er Jahre stellte das Kloster alle klostereigenen Betriebe auf ökologischen Landbau um, was bestens zu den benediktinischen Prinzipien Beständigkeit, Gastfreundschaft und Gottverherrlichung passt, wie der Referent herausstellte. Im anschließenden Vortrag zeigte Dr. FABIAN SCHENK die Bedeutung des Weinbaus für das Augustiner Chorherrenstift Neustift in Brixen auf. Die rund 900.000 Flaschen Wein, die hier jährlich abgefüllt werden, stellen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor für das Chorherrenstift dar. In dem die Sektion abschliessenden dritten Vortrag ging SABINE WASHOF auf die Bedeutung historischer Streuobstwiesen in Niedersachsen ein, die nicht nur als Erholungsraum und zur Verpflegung mit Obst dienen, sondern auch Rückzugsraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten sind. Solche Obstgärten mit historischem Altbestand finden sich besonders bei Klöstern, da diese seit dem Mittelalter oftmals Zentren des Obstbaus waren.

Im öffentlichen Abendvortrag bot Dipl.-Ing. Dr. ALFRED BENESCH einen umfassenden Blick auf das gartenreiche Welt-Erbe des Benediktinerstifts Melk und verdeutlichte die Bedeutung des Melker Stiftsparks nicht nur den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung, sondern darüber hinaus einem weiteren Kreis interessierter Zuhörerinnen und Zuhörern. Anschaulich verdeutlichte der Referent den Bezug der Gartenanlagen auf die barocken Stiftsgebäude und die ikonische Bedeutung der erhöhten Lage des Stiftskomplexes oberhalb der Donau. Im Anschluss an den Vortrag bestand die Gelegenheit, unter der fachkundigen Anleitung von BERNADETTE KALTEIS in alten Garten- und Pflanzenbüchern der Stiftsbibliothek Melk zu blättern und sich mit dem botanischen Wissen vergangener Zeiten zu befassen.

Foto: Stift Melk/B. Kobler

Die dritte Sektion zum Thema klösterliche Gartenkunst startete mit dem Vortrag von Dr. GEORG SCHROTT, der einen Überblick gab zur Entwicklung von Winterungsbauten zu Orangerien in Klostergärten der Barockzeit bis in die Gegenwart, einem bisher wenig erforschten Thema. Neben der Form und Positionierung der Gebäude ging der Referent ebenso auf die Orangerie als Pflanzensammlung ein. BIANCA KIRCHER-LIMBURG M.A. stellte anschließend die Klosterorangerie und die Gärten der ehemaligen Benediktinerabtei Seligenstadt vor. Die Referentin erläuterte die Wiedereinrichtung der Gartenanlagen mit Inbetriebnahme der Schwanenhalsorangerie und ging auf das aktuelle museumspädagogische Vermittlungskonzept ein. Prof. Dr. EVA BERGER referierte über Kunst und Natur in Klostergärten, deren Strukturen, Formen und Wandel anhand niederösterreichischer Beispiele. Im Zentrum dieses Vortrags stand die Aufgabe von Klostergärten als Orte der Rekreation für Geist und Körper der Konventmitglieder. Den Schluss der Sektion bildete eine Begehung des barocken Gartenpavillons im Stiftspark Melk. P. LUDWIG WENZL OSB erläuterte vor Ort anhand des originalen Planmaterials aus dem Stiftsarchiv Melk verschiedene Planungskonzepte des Gartenpavillons und die tatsächliche Ausführung des barocken Bauwerks.

Foto: Stift Melk/B. Kobler

In der letzten Sektion am Freitagnachmittag ging es um Klostergärten heute als Orte der Spiritualität und Begegnung. Sr. MIRIAM EISL OSB aus dem Stift Nonnberg bei Salzburg eröffnete die Sektion mit einem Vortrag, der die Klausurgärten des Stifts als Inspiration für geerdete Spiritualität vorstellte. Mit reichhaltigem Bildmaterial erläuterte sie die Funktion der heutigen terrassierten Gärten für die Benediktinerinnen von Nonnberg. P. Mag. GERWIG ROMIRER OSB referierte über den Stiftsgarten von St. Lambrecht. Dieser erfährt seit 2004 eine Revitalisierung als integratives Projekt, das kulturelle Aspekte mit sozialen und ökologischen verbindet. Die moderne Gartengestaltung wurde nach den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer konzipiert. Äbtissin RUT-MARIA BUSCHOR OSB aus dem Schweizer Frauenkloster St. Andreas bei Sarnen berichtete sodann über die 2022 erfolgte Umgestaltung des Klostergartens in einen Selbsterntegarten, der Abonnentinnen und Abonnenten mit regionalem, saisonalem und biologisch angebautem Gemüse versorgt. Mit der damit einhergehenden zeitweisen Öffnung des Klostergartens für einen Teil der regionalen Bevölkerung machen die Klosterfrauen gute Erfahrungen. In einem letzten Vortrag von Äbtissin KATRIN WOITACK, der aufgrund eines kurzfristigen Ausfalls der Referentin von Dr. HELGA FABRITIUS vorgetragen wurde, standen Bäume im Zentrum der Ausführungen. Das Stift Fischbeck verfügt über historische Gärten, in denen ein teils jahrhundertealter Baumbestand vorhanden ist. Dieser wurde als Abbild der Verhältnisse, die das Leben im Kloster prägten und heute noch prägen, und als wichtige Identitätsquelle für das heutige evangelische Damenstift vorgestellt.

Foto: Stift Melk/B. Kobler

Den Abschluss der Tagung bildete ein Exkursionsvormittag, der mehrere Angebote rund um das Stift Melk umfasste. Zunächst führte BERNADETTE KALTEIS durch die barocke Stiftsbibliothek. Neben den Besonderheiten der Baulichkeit selbst wurde die aktuelle Sonderausstellung im Großen Bibliothekssaal zur Kontroverse zwischen Abt Berthold Dietmayr und dem Bibliothekar und Gelehrten Bernhard Pez im Jahre 1723 vorgestellt, die sich am barocken Umbau der Klosteranlage inklusive seiner Gartenanlagen entzündete. Anschließend boten ANDREA und VIOLA EDELBACHER einen Workshop mit Pflanzen aus dem Stiftsgarten an. MAGDALENA WEBER führte alternativ dazu durch das Musikarchiv des Stifts. Sie stellte immer wieder interessante Zusammenhänge zur Gartenthematik her, etwa, dass die Stelle eines Stiftsgärtners auch eine gewisse musikalische Versiertheit erforderte – zur instrumentalen Verstärkung des Stiftsorchesters. Abschließend führte P. MARTIN ROTHENEDER OSB durch den öffentlich zugänglichen Stiftsgarten, ein Ensemble aus historischer Gartenanlage in Verbindung mit modernen Installationen und Gartenkunst, etwa Hans Hofers «Sprechende Steine – Die Schöpfungsgeschichte» oder «Die Feuerteufel» von Miguel Horn.

Das Benediktinerstift Melk mit seinen ausgedehnten Gartenanlagen präsentierte sich als idealer Ort für das Tagungsthema «Klostergärten» und gab den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern beredt Zeugnis von der großen benediktinischen Gastfreundschaft. Die Tagung bot einen Blick aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf das Tagungsthema und berücksichtigte dabei sowohl die wissenschaftliche als auch die praxisorientierte Perspektive, gab in gewohnter Weise viel Raum für Gespräche, Austausch und Netzwerken und machte das verbindende Potenzial des Klostergartens für Garteninteressierte aus dem klösterlichen ebenso wie aus dem weltlichen Umfeld deutlich.

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